Inhalte des Workshops, den ich im Rahmen des
internationalen Kongresses "Mein Körper, mein Trauma, mein Ich" am 12.10.2018 in München angeboten habe:
Habe ich
einen Körper oder bin ich mein Körper? Der
Körper-Psyche Dualismus als Ausdruck einer elementaren Spaltung von Alice Schultze-Kraft
Körper
und Psyche......im
Gesunden ist es eins! Eigentlich
bräuchte es ein neues Wort für die Ganzheit. Im
selbstverständlichen Erleben einer solchen Ganzheit macht die
getrennte Betrachtung von Körper und Psyche keinen Sinn. Erst die
Spaltung führt zu der allgemein gängigen und das tägliche
gesellschaftliche Miteinander durchpulsenden Einteilung in Körper-
und Psyche-Kategorien. Innerhalb
des Gefühls von Einheit wird unser Körper als Teil unserer
Identität erlebt. Er wird dann
erlebt als
einzigartiger Ausdruck des individuellen Lebens und als
Quelle von Lebendigkeit und Lebensfreude!
Wodurch
jedoch verlieren wir das Gefühl einer solchen Einheit?
Am Anfang
steht das, was Franz Ruppert das „Trauma der Identität“ nennt. Es ist quasi
unser Urtrauma. Dabei geht
es um die ursprüngliche Erfahrung eines „Nein“ zu unserer
Existenz.
Eine Mutter,
die sich nicht hat und ihrer eigenen Identität traumatisiert und
tief gespalten ist, kann unsere Existenz nicht bejahen. Sie wird
dominiert von Traumaüberlebensstrukturen.
Selbst ein
bewusster Kinderwunsch, ist dann zumeist Teil des
Traumaüberlebensprogrammes.
Das Trauma
der Identität beinhaltet, dass wir am Anfang unseres Lebens entweder abgelehnt oder
für die Traumaüberlebensstrategien unserer Mutter/Eltern benutzt
werden. Diese Urerfahrung ist verbunden mit Todesangst und tiefem
Schmerz!Sie führt
dazu, dass wir uns von uns selbst trennen, um da sein zu können. Wir geben
unsere gesunde Ich-Entwicklung, d.h. den Kontakt zu unserem gesunden Ich auf. Körperlich frieren wir ein.
Schmerz und Todesangst werden abgespalten und eingekapselt. Wir
reduzieren unsere Bewegungsimpulse, ziehen uns aus der Peripherie ins Zentrum zurück, verschwinden quasi aus unserem
Körper. Die
Verbindung zum Körper als Ort unserer vitalen Impulse und Energien
wird gekappt. Wir fühlen
und spüren uns nicht mehr in unserem Körper – wir geben den Kontakt zu uns selbst auf. Nur
so lässt sich das Unaushaltbare (die unaushaltbare Realität)
ertragen. Wir
verschwinden, um da sein zu können. Auch ein eigenes gesundes Wollen
wird dabei aufgegeben. So früh in
unserer Identität traumatisiert, wachsen wir dann weiter heran im
Leib einer Mutter, die sich selbst nicht hat und sich nicht in ihrem
Körper fühlt, Das wird dann als tiefe Verlassen- und Verlorenheit
von uns gespürt. Es gibt keinen gefühlten Kontakt mit einer
Mutter, die hauptsächlich überlebend funktioniert. Wir beginnen uns
immer mehr an das Außen anzupassen. Und wir identifizieren uns zunehmend
mit diesen Anpassungsmechanismen. Dazu gehört auch, dass wir uns mit
den psychischen Strukturen/Mechanismen der Mutter identifizieren. Wurden wir massiv abgelehnt, identifizieren wir uns mit der
Ablehnung. Um da sein zu können lehnen wir uns fortan selbst ab. Das
Urtrauma ist dann permanent innerlich aktiv. Es wird ins Außen
projiziert und dort reinszeniert.
Innerhalb
der Getrenntheit stehen Körper und Psyche ganz im Dienste der
Überlebensfunktion! Dabei laufen sowohl auf der körperlichen als
auch auf der psychischen Ebene Traumaüberlebensprozesse ab, die
miteinander in Wechselwirkung stehen! Auf der
Basis des Urtraumas durchlaufen wir eine Traumabiographie, wobei sich
die Körper-Psyche Spaltung immer mehr verfestigt.
In unserer
Identität traumatisiert und verwirrt, werden wir in der Folge unser
eigenes Objekt. Wir schauen distanziert und dadurch gewissermaßen
von außen auf uns selbst und auf unseren Körper, der uns ebenfalls
wie fremd erscheint. Wir misstrauen ihm und seinen Signalen. Unser
Körper wird zum Objekt.Die innere
Opfer-Täter-Spaltung wird innerhalb der Körper-Psyche-Spaltung
ausagiert. Beispiel:
In der therapeutischen Praxis erlebe ich es oft, dass
identitätstraumatisierte Menschen so auf ihren Körper schauen wie
die ursprünglichen Täter. Sie gehen mit ihrem Körper um, wie in
ihrer frühen Kindheit mit ihnen umgegangen wurde.
Das
kann sich z.B. darin ausdrücken, dass sie ihre körperlichen
Bedürfnisse vernachlässigen so wie sie als Kinder vernachlässigt
wurden. Sie missdeuten ihre Körpersignale, so wie als Säugling ihr
Schreien fehlinterpretiert wurde. Oder sie missachten ihre
Körpersignale so wie sie als Säugling schreien gelassen wurden. Sie
verweigern sich selbst den liebevollen Kontakt, so wie ihnen der
liebevolle Körperkontakt als Kind verweigert wurde. Gehen lieblos
mit sich um, betrachten den Körper als etwas, das gefälligst gut
funktionieren soll.
Vielleicht
ignorieren wir unsere Körperlichkeit ganz, ohne es zu merken oder
wir fixieren und ängstlich auf den Körper und beobachten ihn
permanent voller Sorge. Sich selbst
in seiner Körperlichkeitzu zu kontrollieren, manipulieren,
optimieren …... all das ist dann die Folge des Identitätstraumas
und der frühen Körper-Psyche-Spaltung.Die
unerträgliche Trauma-Realität wird bewusst nicht mehr erinnert oder
sie wird innerhalb der Spaltung erinnert. Das traumatische Erleben
ist gewissermaßen in den Körper „ausgelagert“. Die aus dem
Körper aufsteigenden Traumaerinnerungen werden abgewehrt und
kontrolliert. Die psychischen Überlebensstrukturen tragen dazu bei,
dass wir immer verkopfter und zugleich „entkörperter“ werden. Wir stecken
fest in der ursprünglichen Notlösung und verlieren uns immer noch
mehr. Unser Körper
gehört zur Identität. Sind wir in unserer Identität traumatisiert,
sind wir auch in Bezug auf unsere Körper-Identität verwirrt.
Als Frau schaue
ich dann z.B. in den Spiegel, sehe mich im Körper der Mutter, da ich
gefühlt keinen eigenen habe, Ich sehe dann also den Täter im
eigenen Körper.
Oder das
Opfersein, das ich ablehne. Der Körper ist ja auch der Ort des
Traumas, der Ort, an dem etwas mit mir gemacht wurde.
Verstärkung
der inneren Opfer-Täter-Dynamik Wir haben
uns selbst nicht, sind identifiziert mit den Tätern. Sehen uns und
unseren Körper als Objekt, den wir in seinen vitalen Impulsen
unterdrücken bis zerstören. Ein Mensch,
der sich in seinem Körper fühlt, unterdrückt oder zerstört sich
nicht selbst! Nur die Spaltung macht es möglich! Fortan
ertragen wir, lassen über uns ergehen, weil wir uns nicht spüren
und fühlen. Das wiederum schafft neue Traumaerfahrungen. Es entsteht
ein Teufelskreis. So lange wir
in diesem Teufelskreis stecken, ist ein Ausstieg aus der
Traumabiografie nicht möglich!Symptome
sind dann einerseits Ausdruck des Traumas (implizites
Körpergedächtnis), andererseits Ausdruck des Spaltungsstresses und
der permanenten Selbstunterdrückung (Opfer-Täter-Dynamik). Die Spaltung
vertieft sich im Laufe der Traumabiographie. Je älter wir werden
desto mehr Kontrolle wird nötig. Immer mehr Körpersignale und
-apelle in Form von Symptomen müssen immer schärfer abgewehrt
werden. Wenn wir dann mit aller Härte Symptombekämpfung betreiben,
werden wir noch mehr zum Täter gegen uns selbst und die
Selbstunterdrückung schreitet voran.
Die Fixierung
auf den Körper geht oft mit der unbewussten Kontrollillusion einher,
Macht über den eigenen Körper (und somit über die Traumatisierung)
zu haben. Der Körper dient dann als Mittel zum Zweck, wird als
Werkzeug perfektioniert usw.
Das hat
nichts mit gesunder Körperlichkeit zu tun.Die Beschäftigung
mit dem Körper wird so zur Ersatzidentität.
Und der Körper
wird auf der Ebene des „Traumas der Liebe“ benutzt! Bestätigung
im Außen durch körperliche Perfektion - darin drückt sich die
permanente Sehnsucht aus anerkannt, gesehen und geliebt zu werden.
Wenn aus der
Beschäftigung mit dem Körper z.B. in Form von Bewegung oder Pflege,
ein permanter Druck erwächst, ist das nicht gesund. Wenn ein solches
Verhalten zum Zwang wird, können wir uns sogar ziemlich sicher sein, dass
sich darin eine Spaltung ausdrückt.
Selbst Tänzer
und Sportler mit differenzierten Körperwahrnehmungsfähigkeiten sind
häufig gespalten und fühlen/spüren sich selbst nicht wirklich in
ihrem Körper.
Es ist ein
Missbrauchen des Körpers für die eigenen Überlebensstrategien. Was mit uns
gemacht wurde, machen wir dann unbewusst mit uns selbst. Eine
permantente Reinszenierung/Wiederholung der alten Traumaerfahrung.So lange wir uns in einer Spaltung durch Identitätstraumatisierung befinden, sind z.B. viele Arten von
körpertherapeutischen Ansätzen wenig hilfreich. Im Gegenteil, sie
können die Spaltung u.U. noch verstärken. Erst braucht es Kontakt zu
den gesunden Ich-Strukturen und Vertrauen im Kontakt mit uns selbst. Techniken zur Körperwahrnehmung führen nicht aus der Spaltung, wenn
die Realität von Traumata und vor allem das Trauma der Identität nicht berücksichtigt wird.